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Japow 2019 Teil 16 - Mt. Maetokachi

Der heutige Tag begann mit dem Abschied von Biei. Irgendwie schaffte ich es meinen Koffer wieder in Werkszustand zu versetzen und geschlossen ins Auto zu verfrachten. Das Thermometer zeigt -14° bei traumhaftem Wetter. Wolkenlos und Sonnenschein, was für ein Tag!
Ein letztes Mal besorgte ich mir mein Frühstücksmenü, eine Tüte Schokoladengebäck, zwei Onigiris  und diesen merkwürdigen Tee, den ich nicht mehr missen möchte, an der anderen Straßenseite. Ab ins Auto, die Automatik auf D wie Durchzug und ab ging's zur Hakuginso Lodge, die als Ausgangspunkt für die heutige Tour diente.


Earn your turn

Die Hütte liegt bereits auf etwas über 1000m und bietet eine großartige Ausgangsbasis für viele Touren, wie auch die auf den Mt. Maetokachi, einem der vielen aktiven Vulkane der Insel.

Mit 1750m ist dieser aus europäischer Sicht nicht gerade spannend und die 700hm leicht zu bezwingen, das Erlebnis bleibt aber auf alle Fälle einmalig.
Vorab kann ich sagen, ab heute schreibt der Trip schwarze Zahlen, was für ein Tag!

Am Parkplatz angekommen zeigte sich das erste Problem. Es scheint, als wäre über Nacht meine Bindung am Voile-Kit festgefroren. Alles Rütteln half nichts, sie wollte nicht vom Brett. Autotüre auf und das Board mit der Kante an die Fußschwelle, wenige sanfte Tritte gegen die Toeramp der Bindung und siehe da, die Bindung rutscht vom Board, manchmal hilft liebevolle Gewalt ja doch ;-). Das Board geteilt und in den Aufstiegsmodus gebracht machte ich mich auf den Weg.

Die Tour startete Richtung Nordosten und führte zuerst durch ein flaches Waldstück bis zu einer Flussquerung. Danach ging es durch weitstehende Birkenstämme, die sich mit steigender Höhe immer mehr in kleine Ästchen verwandelten, der rechten Flanke des Vulkans hinauf. Zwar lachte die Sonne, dennoch wehte der Wind mit 30-40km/h auf Dauer unangenehm. Ich bevorzugte daher eine eigne Spur durch den Wald zu legen, solange er ausreichend Schutz bot. Dies war zwar weitaus anstrengender, als auf dem freien, abgewehten Teil des Hangs zu gehen, ohne Zeitdruck für mich aber die vernünftigere Route. Nach der Baumgrenze machte sich erstmalig ein leichter Schwefelgeruch breit.


Ein Ritt auf dem Vulkan

Ein Blick Richtung Gipfel ließ austretende Dampfwolken entdecken. Das erste Mal auf einem aktiven Vulkan habe ich mir definitiv ohne Schnee und erst recht ohne Board vorgestellt, so kann man sich täuschen. Nun ging es aus dem Waldbereich heraus in eine längere Querung, gefolgt von einigen Spitzkehren, bis zur Messstation kurz unter dem Gipfel. Leider wurde es ab hier sehr felsig, was ein weiteres Aufsteigen bis zum Gipfel bei aktueller Schneelage schwierig machte und für die Abfahrt sowieso nicht mehr relevant wäre.

 

Die Aussicht war, begünstigt durch das großartige Wetter, einfach atemberaubend. Es bot sich ein Blick über die japanischen Alpen, weit über Furano hinweg, Dampf stieg neben dem Gipfel auch vom Mt Tokachi auf, mir fehlten ehrlich gesagt erstmalig die Worte.

Glücklicherweise klappte der Umbau von Skiern zum Board absolut problemlos, einzig die Finger in den dünnen Handschuhen bereiteten mir, bei -17°C und 35km/h Wind, schön langsam Sorgen. 

"Ab nach unten, bevor ich mir noch irgendwas abfriere", dachte ich und hüpfte in den Hang. Im Gipfelbereich, durch den Wind sehr unbeständig, teils abgeweht, teils eingeweht, sollten die ersten Turns eher mit Vorsicht genossen werden. Wenige Meter später entschädigte feinster Powder für die leicht geknickte Stimmung der Vortage. Dafür nahm ich die Reise auf mich, eine großartige Tour, die dann noch mit der bislang besten Abfahrt belohnt wurde. Der Tag stellte bereits zu dem Zeitpunkt alles gewesene in den Schatten.

Ausgebremst an der Flussquerung vom Anfang hieß es hier als Snowboarder abschnallen und zu Fuß weiterspazieren. Vorsichtigen Schrittes, da man sonst stets knietief in den Schneeschuhspuren einiger Wanderer einsank, ging es durch den Wald zurück zum Parkplatz der Hütte.  


Wellness in freier Wildbahn

Während meiner Recherchen fand ich heraus, dass sich unweit der Hütte eine freizugängliche heiße Quelle, Onsen, wie sie in Japan genannt werden, befinden soll. 

Auf Hokkaido gibt es grundsätzlich an jeder Ecke Onsen, die als Badehäuser oder Anhang bei Hotels betrieben werden. Leider blieben mir diese einfachen Möglichkeiten bislang, auf Grund von hautbemalungstechnischer Probleme, immer verwehrt.  Die Japaner verbinden Tattoos grundsätzlich mit der Yakuza und führten daher einst strikte Tattooverbote in den Badehäusern ein. Diese Regeln gelten selbstverständlich auch heute noch und auch ausnahmslos für Nicht-Japaner. 

Ich witterte meine Chance und ging talwärts zum markierten Wegpunkt. Ein durch Schneewände geschaufelter schmaler Gang führte von der Straße tiefer in den Wald. Einige Treppen nach unten zeigten sich Rauchschwaden und erste kleine Wasserfälle, gefolgt von zwei Becken, die tatsächlich im Hang aufgestaut waren. Es fällt mir tatsächlich schwer das gesehene in Worte zu fassen. Mitten im Nirgendwo an einer Hangkante teilt man sich ein 50-60° heißes Bad mit zwei Einheimischen, von Australiern und Menschenmassen erstmalig weit und breit keine Spur. Bei einer Außentemperatur von -14°C  ein absolut einmaliges Erlebnis und für mich bislang das Highlight des Trips. 


Meer in Sicht

Allmählich zeigte mein Kreislauf erste Schwierigkeiten, die Anstrengung des Vormittags in Kombination mit dem großen Temperaturunterschied machte sich doch bemerkbar. Zeit Abschied zu nehmen, es wartete schließlich noch eine dreistündige Fahrt nach Otaru.

Das Navi führte mich die Passstraße hinab, hinter Furano vorbei zur Autobahn. Mit Durchschnittstempo 80 ging es entspannt und teuer, 100km Autobahn für rund 3000 Yen, zuerst nach Sapporo und dann weiter südwestlich an die Küste Otarus.

Mittlerweile bin ich im Hostel angekommen. Erster Kulturschock nach dem idyllischen Landleben, ich bin wieder mitten in der Stadt gelandet. Nun freue ich mich den Gedanken einer Pauschalreise bereits im Frühstadium verworfen zu haben. Wie oft kommt man in den Genuss in einem minimalistischen, traditionell japanischen Gästehaus mit familiärer Bewirtung unterzukommen.  Die Kommunikation beim einchecken verlief mit wenigen Worten, dafür mit wahnsinnig freundlicher Körpersprache und einfach erklärenden Handbewegungen, alles wie gewohnt. Die Zimmertüren enden auf Kinnhöhe, die Eingänge zu den Duschen sind mit vorhängen in rot und blau verdeckt, ich werd hierzu in den kommenden Tagen auf alle Fälle noch detaillierter berichten. Am Abend machte ich mich auf die Suche nach dem nächsten 7/11 und hielt dabei kurzfristig an einem winzig kleinen Restaurant, das mit vertrauten Nudelgerichten lockte. 

Zeit fürs Bett, ich bin streichfähig, wie man bei uns sagen würde! 


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